Glücklich Stillen
Claudia Braches  Still & Laktationsberaterin IBCLC

Als ehemalige Stillbeauftragte und Projektleitung einer Babyfreundlichen Geburtshilfe und Kinderklinik habe ich das Projekt intern maßgeblich mitgestaltet und koordiniert. Mit den Umstellungsprozessen in den Arbeitsabläufen, welche das Konzept BABYFREUNDLICH  in den jeweiligen Abteilungen mit sich bringt, bin ich also sehr vertraut. Zudem bin ich seit 2018 Gutachterin der WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH. Damit habe ich einen noch tieferen Einblick in die Zertifizierungsabläufe gewonnen und gebe meine Erfahrungen gerne weiter.

Seit November 2018 bin ich Vorstandsmitglied der WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH.

Was bedeutet BABYFREUNDLICH?

BABYFREUNDLICH bedeutet im Groben, dass die natürlichen Bedürfnisse der neugeborenen Babys und die ihrer "neugeborenen" Mütter und Väter berücksichtigt werden. Babyfreundliche Abteilungen arbeiten nach dem B.E.St.® Konzept welches in zehn Schritten umgesetzt wird.

B.E.St.  ® steht für die Förderung von Bindung, Entwicklung und Stillen. Es ist eine eingetragene Wortmarke der WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH 

Wer ist BABYFREUNDLICH?

Babyfreundlich ist eine internationale Auszeichnung für Geburtshilfliche Abteilungen. Babyfreundlich zertifizierte Perinatalkliniken (Geburtshilfe und Neonatologie) und Kinderkliniken gibt es bisher nur in wenigen Ländern.

Eine Übersicht der ausgezeichneten Kliniken in Deutschland findet sich auf der Internetseite des Vereins zur Unterstützung der WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH     www.babyfreundlich.org

Was macht BABYFREUNDICHE Abteilungen so besonders?

Babyfreundliche Abteilungen schulen ihr Personal regelmäßig und umfassend zu Bindung, Entwicklung und Stillen nach jeweils aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand. 

Routinierte Arbeitsabläufe wurden zu Gunsten der optimalen Eltern-Kind-Bindung und Stillförderung verändert und standardisiert.

Hier wenige Beispiele:

Sie informieren schon werdende Eltern über die Bedeutung der Förderung der Eltern-Kind-Bindung, die damit positiven Einflüsse auf die Entwicklung des Kindes und die optimale Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder.

In Babyfreundlichen Abteilungen werden Neugeborene unmittelbar ab der Geburt zusammen mit ihren Müttern betreut, ohne sie räumlich zu trennen. Es sei denn dringende medizinische Gründe machen eine Trennung unvermeidbar.  Die Eltern/Mutter-Kind Bindung wird besonders gefördert.

Mütter bekommen besondere Unterstützung und Anleitung beim Stillen. Der Wunsch zu stillen wird unterstützt und behindernde Maßnahmen werden unterlassen. Eltern, die auf das Stillen verzichten, werden individuell zur Ernährung ihres Kindes angeleitet. 

Babyfreundliche Abteilungen haben sich verpflichtet keine Beeinflussung, in Form von Geschenken und geldwerten Vorteilen, von Herstellern von Muttermilchersatzprodukten, Flaschen und Saugern, entgegen zunehmen oder an Eltern weiterzugeben. (internationaler WHO-Kodex)

Was hat das Baby von BABYFREUNDLICHER Betreuung?

Unsere menschlichen Babys kommen ziemlich hilflos auf die Welt. Sie bringen uralte, angeborene Verhaltensweisen und Erwartungen mit. Eine dieser Erwartung ist eine feste Bezugsperson, an die sie sich binden und von der sie sich nähren lassen können. Das ist der Grund, aus welchem Babyfreundliche Abteilungen die Trennung von Mutter/Eltern und Kind, und sei sie noch so kurz, nach Möglichkeit vermeiden. Ein gesundes Neugeborenes wird unmittelbar nach der Geburt in direkten Haut-zu-Haut Kontakt mit seiner Mutter gebracht, und zwar unabhängig von der Art der Geburt. Dort darf es erstmal in dieser Welt ankommen und seinen Weg an die nährende Brust finden. Behandlungsroutinen, wie z. B.  für das Messen und Wiegen, werden erst nach dem ersten Stillen durchgeführt. Notwendige Untersuchungen finden regelhaft im Beisein der Eltern statt.

Auch auf der Wochenbettstation bleiben Mutter/Eltern und Kind Tag und Nacht zusammen. Die eigenen Eltern sind ihrem Neugeborenen vertraut, ihre Nähe bedeutet Liebe, Schutz und Nahrung. Das Krankenhauspersonal hingegen ist völlig fremd für das Kind und wird nach dem kurzen Krankenhausaufenthalt keine persönliche Rolle mehr in dessen Leben spielen.

Was haben Eltern von BABYFREUNDLICHER Betreuung?

Die Eltern bekommen die Gelegenheit ihr Kind so ungestört wie möglich auf dieser Welt begrüßen zu können, sich zu "beschnuppern" und grenzenlos zu verlieben. Sie werden betreut und angeleitet die urzeitlichen Bedürfnisse ihres Babys zu erkennen, zu verstehen und zu erfüllen. Sie haben die Chance so optimal wie möglich in ihr neues Leben als Familie begleitet zu werden. Das stärkt ihre Kompetenz sowie ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Was hat das Personal von BABYFREUNDLICH?

BABYFREUNDLICH steht für Qualität und Qualitätssicherung. Hier wird nach standardisierten Verfahren gearbeitet. Das bietet einen sicheren Rahmen der Abläufe, aber auch Handlungsanweisungen bei Unsicherheiten und Fragestellungen.

Dem Personal Babyfreundlicher Abteilungen werden regelmäßige Fortbildungen angeboten, um das Wissen und somit die Kompetenz für ein Handeln nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand zu ermöglichen. Das bedeutet auch persönlicher Fortschritt und häufig eine neue Sichtweise auf verschiedene Abläufe.

Mütter/Eltern, mitsamt ihren Neugeborenen, die in Babyfreundlichen Abteilungen betreut werden, erlangen dadurch ebenfalls mehr Kompetenz und melden ihre Zufriedenheit an das Personal zurück. 

Das Prestige, welches eine Abteilung über diese Auszeichnung gewinnt, zeichnet jedes einzelne Teammitglied aus. Es würdigt die Flexibilität und das Wachstum der Mitarbeiter, welche sie für diese Prozessveränderung eingesetzt haben. 

Sind andere, "nicht ausgezeichnete", Kliniken Baby-unfreundlich?

Unfreundlich sind sie natürlich nicht, aber es gibt im Hinblick auf die natürlichen Bedürfnisse eines jeden Neugeborenen einiges zu verbessern. 

Hier nur wenige Beispiele:

Die meisten "nicht ausgezeichneten" Abteilungen der Geburtshilfe und Kinderklinik arbeiten nach wie vor in alten Routinen. Das bedeutet auch, dass Mütter von ihren gesunden Neugeborenen noch häufig getrennt werden. Zum Einen für Routinemaßnahmen schon unmittelbar nach der Geburt. Zum Anderen auch über mehrere Stunden z.B. in der Nacht auf der Wochenbettstation. Manche geburtshilfliche Abteilungen betreuen die gesunde Mutter und ihr gesundes Kind regelhaft getrennt und viele Kinderabteilungen, welche kranke Neugeborene betreuen, haben eingeschränkte "Besuchszeiten" für Eltern. Eltern sind aber keine Besucher und sollten jederzeit Zugang zu ihrem Kind haben dürfen.

Stillförderung wird zwar häufig versprochen, aber viele der dann ergriffenen Maßnahmen haben nachweislich eine stillverhindernde Wirkung. Es wird häufig ohne medizinischen Grund und in viel zu großen Mengen zugefüttert, meist mit Methoden die eine unkomplizierte Stillbeziehung nachweislich stören. Gut gemeint ist leider nicht gut gemacht. Häufig liegt es am wenig tiefgreifendem Wissen des Personals und/oder den wenig unterstützenden strukturellen Gegebenheiten.

So ist es leider auch an den allermeisten Universitätskliniken zu erleben, dass sie regelhaft das Bindungsverhalten der betreuten Mutter-Kind Paare unmittelbar nach der Geburt stören. Auch die Stillbeziehung wird häufig von Anfang an und im Verlauf nachhaltig behindert, obwohl doch gerade dort Prozessabläufe nach aktuellen wissenschaftlichen  Forschungsstand am allermeisten zu erwarten wären.

In vielen Kliniken wird das Personal nur selten bis gar nicht dazu angehalten Fortbildungen zu den Themen Still- und Bindungsförderung wahrzunehmen, obwohl das elementares Grundlagenwissen in diesen Abteilungen darstellt. 

In den allermeisten medizinischen Ausbildungen an Krankenpflege- und Hebammenschulen, sowie an der Universität, nehmen diese Themen zu wenig Raum ein. Selbst das Lehrpersonal hat oft noch veraltetes Wissen, weil es die Notwendigkeit zur Aktualisierung noch gar nicht erkannt hat. 

Das bedeutet es wird häufig, statt nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnissen zu arbeiteten, weiterhin an veralteten Handlungsabläufen festgehalten

Darum ist es wünschenswert dieses Wissen im Nachhinein erlangen zu können. Damit könnten auch althergebrachte Mythen und Halbwahrheiten rund um die Versorgung von Mutter & Kind & Familie, sowie Stillen & Bindung, durch das Verbreiten von Wissen um aktuelle Forschungsergebnisse ein Stück weit aufgeklärt werden.

Wer zeichnet "Babyfreundliche" Abteilungen aus?

In Deutschland ist das der Verein zur Unterstützung der internationalen WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH. Anfang 2017 wurde die 100. Babyfreundliche Abteilung ausgezeichnet, dabei sind auch ganze Kinderklinken. Seit 2019 gibt es die Möglichkeit die Geburtshilfe und Neonatologie gemeinsam als Babyfreundliche Perinatalklinik zu zertifizieren.

In Deutschland genießen zur Zeit etwa 20% aller Neugeborenen mit ihren Müttern, die Bindungs-, Entwicklungs- und Stillfördernde Umgebung einer Babyfreundlichen Abteilung.

Woran sind BABYFREUNDLICHE Abteilungen zu erkennen?

Auf ihren Internetseiten zeigen sie das patentrechtlich geschützte Logo der WHO/UNICEF-Initiative-BABYFREUNDLICH. Innerhalb der Kliniken hängen die jeweiligen Zertifikate in Kombination mit der Auszeichnungsurkunde mit dem Picasso-Motiv "Maternité". Darauf ist vermerkt, wann die Abteilung zuletzt begutachtet wurde. Die Auszeichnung wird in regelmäßigen Abständen auf ihre weitere Umsetzung geprüft.

Babyfreundliche Einrichtungen geben sich bei Infoveranstatungen für Schwangere und Eltern oft begeistert zu erkennen. Sie sind in der Regel zu Recht stolz diese Auszeichnung erarbeitet zu haben.

Weitere Informationen über BABYFREUNDLICH gibt es hier: 

WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH  

Tel: 0208 8285560 

E-Mail: info@babyfreundlich.org

Web: www.babyfreundlich.org
Facebook: www.babyfreundlich.org/facebook
Youtube: www.youtube.com/user/babyfreundlich